
Venediger Höhenweg
Für Juli hatten wir uns eine schöne Mehrtagestour in den Hohen Tauern ausgedacht. Genauer den Venediger Höhenweg. Dass uns das Wetter gleich am Anfang versuchen würde, einen schneereichen Strich durch die Rechnung zu machen, hätten wir nicht gedacht.
Wir werden auf jeden Fall wieder in die Hohen Tauern fahren. Es ist einfach schön, wenn man so schnell in den Bergen ist (ab Talort) und eigentlich immer weit oben ist.
Tag 1: Tauerntunnel zur St.-Pöltner-Hütte
Noch am Anfang der Woche war es viel zu warm, 27–30°C im Büro. Heute, Donnerstag, stapfen wir also durch Schnee, in Verwehungen bis zum Knie. Ab 2000 m wurde es weiß. Dank Poncho war’s aber die ganze Zeit trocken und warm. Immer wieder mussten wir uns durch Böen kämpfen und den Graupel aus unseren Gesichtern fernhalten. Vor 14 Uhr war das Wetter eigentlich ganz passabel, da waren wir aber auch einige 100 hm weiter unten.
Am Morgen sind wir nach einigen Stunden Zug- und Busfahrt am südlichen Ende des Felbertauerntunnels ausgestiegen. Der Busfahrer hatte freundlicherweise angehalten. Andernfalls hätten wir ein Taxi bis zum Matreier Tauernhaus nehmen müssen, was nach Auskunft so um die 70 EUR kostet. Nach vier Stunden erreichten wir dann die St.-Pöltner-Hütte. Der Hüttenwirt redete uns ein, dass wir doch unbedingt die Halbpension nehmen sollten. Wie anfänglich vermutet, bereuten wir die Entscheidung. Wie üblich. Das passt einfach irgendwie nicht zu Hüttenwandern, auch wenn es scheinbar sehr beliebt ist.
Für den morgigen Tag hatten wir den Weg von der St.-Pöltner Hütte zur Neuen Prager Hütte eingeplant. Wegen des starken Schneefalls entschieden wir uns dann aber, diese Etappe auszulassen und stattdessen im Venedigerhaus im Tal zu übernachten. Vielleicht hätte es geklappt, riskieren wollten wir diesmal aber nichts.
Tag 2: St.-Pöltner-Hütter zum Venedigerhaus
Gestartet mit Eiszapfen am Fenster, Schnee und Wind an der St.-Pöltner Hütte erreichten wir nach knapp drei Stunden ein kleines Gasthaus im Tal und konnten uns nicht gegen einen Eiskaffee wehren. Die Wirtsleute schauen etwas skeptisch, im Angesicht der nicht gerade sommerlichen Temperaturen draußen. Dennoch kam dieser Energieschub gerade zur rechten Zeit. Kurz darauf erreichten wir dann das Venedigerhaus und bezogen unser Lager: ein Doppelzimmer. Dank eines Heizlüfters konnten wir die Temperatur in unserem Zimmer am Abend etwas angenehmer gestalten.
Am Nachmittag gingen wir dann den Gletscherweg ab. Als Einstimmung auf den morgigen Tag: die Tour zur Badener Hütte. Oben war’s weiß. Wir entschieden uns trotzdem für diese Etappe, umkehren wäre dann immer noch eine Option.
Tag 3: Venedigerhaus zur Badener Hütte
Im Plusbereich (+2°C) kamen wir von einer aufregenden Tour vom Venedigerhaus am Nachmittag bei der Badener Hütte an. Das Venedigerhaus liegt auf ca. 1700 m. Das Löbbentörl, als höchster Punkt der Tour, auf ca. 2700 m. Die Badener Hütte schließlich immerhin auf 2600 m. Wäre sicher ein schöner Weg gewesen, hätte das Wetter mitgespielt. Am Morgen war’s noch teilweise sonnig, jedoch sehr windig und kühl. Gegen Mittag zogen es immer weiter zu, sodass es uns am Löbbentörl eisig und stürmisch um die Nasen wehte. Kurz davor war der Weg durch ein Altschneefeld und eine Schneeverwehung verdeckt. Ohne Steigeisen wäre dies eine sehr rutschige Erfahrung geworden.
An eben diesem Altschneefeld trafen wir dann auf einen nicht so sonderlich gut ausgestatteten Münchner, ein etwas mürrischer Kauz. Den restlichen Weg gingen wir dann zu dritt. Er war mit unserer Wegfindung nicht immer einverstanden, auch wir mit seiner nicht. Dennoch brachte uns unsere Orientierung irgendwann zu Ziel. An eine Pause war wegen der widrigen Wetterverhältnisse diesmal nicht zu denken, weshalb wir auch die Umgebung nur wenig genießen konnten. Morgen geht’s weiter zur Bonn-Matreier Hütte über die Kälberscharte, bei der wir einen Tag Pause einlegen werden.
Tag 4: Badener Hütte zur Bonn-Matreier Hütte
Aufbruch am Taupunkt, um die 0°C. So schnell waren die Schuhe dann auch durch. Wind und Regel lassen sich aber mit Regenhose und Poncho gut überstehen. Der Weg bis zum Tal vor der Galtenscharte (2884 m) ist einfach zu gehen. Der mürrischer Münchner, ohne Regenhose aber mit rotem Poncho, überholte uns und stieg am Ende dann ab: Schuhe und alles andere durchnässt. Der Weg zur Galtenscharte war dann etwas anspruchsvoller, gerade wegen der ständigen, heftigen Böen, dem Regen und der Altschneefelder, gerade an den ausgesetzteren Stellen. Die waren jedoch wenigstens durch Stahlseile gesichert, wenn auch zum Teil frei hängend. Kurz vorher trafen wir noch zwei Jungs aus dem Kölner Raum, die uns gewarnt hatten: “Vor der Kälberscharte [Anm.: eine Scharte nach der Galtenscharte] müsst ihr einen Grat überqueren, der ohne Stahlseil und den aktuellen Bedingungen nicht machbar ist! Dagegen ist die Galtenscharte Kindergarten!”. Wir waren “gespannt”, vor allem nachdem wir an der Galtenscharte angekommen waren. Unbewusst hatten wir diese Stelle dann aber schon überwunden: ein Hang mit rutschigem, bröseligem Glimmerschiefer und Schneematsch. Kein Grat. Aber ein Seil. Und das war gut so. Aber nicht so schlimm, wie wir befürchtet hatten. Nur dachte wir ja, dass der wirklich schlimme Teil noch folgen würde.
Nach der Galtenscharte querten wir dann eine Art Hochebene, mit gröberem Blockwerk. Keine so großen Blöcke wir auf dem Aschaffenburger Höhenweg oder am Hohen Riffler, aber schon etwas blockig. Das Wetter klarte etwas auf, der Nebel verzog sich manchmal und so konnten wir dann hin und wieder einen Blick ins Tal genießen. Dann kam der Aufstieg zur Kälberscharte und wir waren drüber. Keine schwierigen Stellen, kein Seil, einfach nur Weg. Die Bonn-Matreier-Hütte war dann auch bald in Sichtweite und nach 15 Minuten erreicht.
Unsere Schuhe, Socken und Handschuhe waren komplett durch. Leider hat die Hütte keinen (brauchbaren) Trockenraum, weshalb unsere Sachen am nächsten Tag noch nass sein würden. Die Hütte und das Hütten-Team waren aber klasse. Auch das Essen top. Ein guter Stützpunkt für einen Pausetag!
Tag 5: Pausetag auf der Bonn-Matreier Hütte
Start bei 8°C, 1020–1030 mbar und blauem Himmel. Der erste Tag der Tour, an dem das Wetter einen guten Eindruck machte. Gute Voraussetzungen auch für unsere Schuhe, sie könnten wieder trocknen. Durch den Schneematsch und das Schmelzwasser, gemischt mit Glimmerschieferschmiere, auf dem Weg zum Säulkopf auch auch wieder nasser. Der Säulkopf ist quasi der Hausberg der Bonn-Matreier Hütte und mit 3209 m auch gar nicht mal so niedrig. Der Weg war am Anfang gut markiert, am Hang mussten wir dann aber immer wieder schauen, wo es denn eigentlich weiter geht. Die Markierungen waren sehr schlecht erkennbar.
Auf dem Gipfel waren wir alleine. Windstill und eine klasse Fernsicht. Der erste Tag in der Sonne und gleich einen Gipfel für uns.
Beim Abstieg rutschten wir dann auf der Schiefer-Matsch-Masse ins Tal, machten unterwegs am Hang dann aber noch eine kurze Pause, um die Aussicht zu genießen.
Tag 6: Bonn-Matreier Hütte zur Eisseehütte
Der Weg zur Eisseehütte ist kurz, aber übersät mit Edelweiß. Einige Murmeltiere und eine Gams. Wir mussten viele Fotopausen einlegen, weshalb wir auch etwas länger brauchten. Nach Ankunft in der Eisseehütte ging’s gleich weiter zum Eissee, um eine Runde drin zu schwimmen. Kühl aber gut. Wie fast jeder Bergsee, mit Schneefeldern am Rand. Ein Ausflug lohnt sich, es ist ein wirklich schöner Fleck. Und nicht zu überlaufen, da die meisten entweder gar nicht vorbeikommen oder gleich dran vorbei gehen.
Die Eisseehütte, eine private Hütte am Weg, war am Abend voll, zumindest unser Lager. Sonst aber ganz gemütlich. Essen war nicht so gut, vor allem aber zu wenig.
Tag 7: Eisseehütte zur Johannishütte
Schöne Tour zur Johnnishütte, wieder unter blauem Himmel und Sonne. Am Weg lag die Kreuzspitze (3146 m), wir wir da nicht liegen lassen konnte. Ein sehr, sehr einfacher 3000er, den wirklich jeder mitnehmen könnte. Keine Schwierigkeiten auf dem (Normal?)Weg, einfach entspannt. Es sind auch nur ca. 500 hm. Auf den Gipfel führt ein zweiter Weg von Osten und ein dritter vom Tal in südlicher Richtung. Ein Wahnsinniger Rumdum- und Fernblick. Vom Plateau unterhalb des Gipfels auf ca. 3050 m sind wir über ein Schneebrett noch rüber zum Schereskopf (3046 m), noch, wenn auch knapp, ein 3000er.
Ungefähr 50 Minuten später erreichten wir dann unser Ziel, die Johannishütte, über die Zopetscharte. Gleich zu Beginn aber die Enttäuschung, über das sehr unfreundliche Hüttenpersonal. Wir wurden zuerst ignoriert, dann belehrt, dass “[…] die AV-Satzung vegetarische Bergsteigeressen verbieten würde und einen Fleischanteil vorschreiben […]” würde. Das ist natürlich vollkommener Quatsch und war vielleicht vor einigen Jahren, oder als Nachkriegsüberrest noch irgendwo festgeschrieben. Aber solche Feinheiten kommen hinter Wäldern vielleicht erst später an. Wenn überhaupt. Eine freundlich formulierte Beschwerde bei unserer Sektion, der die Hütte gehört, half leider auch nicht weiter. Wir werden die Johannishütte meiden, auch wenn wir auf jeden Fall wieder in die hohen Tauern kommen werden!
Das Essen war gut, die sanitäre (Dusch-)Situation jedoch weniger. Eine Dusche für die Hütte und kalt duschen geht nicht. Gut nur, dass wir die ersten waren.
Tag 8: Johannishütte zur Essener-Rostocker Hütte
Das Wetter schlägt langsam um. Den ganzen Tag über war das Wetter schwül, schweißtreibend. Für den Nachmittag waren Gewitter angesagt, die ausblieben. Am Türmljoch bogen wir nach Norden in Richtung Kleiner Geiger ab. Andere bereiteten sich auf eine kleine Klettertour auf das Türml vor. Dies konnten wir gemütlich von der anderen Seite von ca. 2845 m aus beobachten.
Kurze Zeit später erreichten wir dann die Essener-Rostocker Hütte mit einem Rostocker Strandkorb auf der Terrasse. Und Edelweiß an der Mauer. Das Wetter klarte auf, keine Anzeichen von Gewitter. Noch hofften wir darauf, dass wir den schönen Weg zur Clarahütte am nächsten Tag nehmen könnten. Leider spielte das Wetter aber nicht mit: es waren wieder Gewitter angesagt.
Die Essener-Rostocker Hütte ist einen Besucht wert, auch wenn das Innere den Charm eines 60er-Jahre-Baus aussttrahlt. Dafür hatten wir eine Heizung in unserem Zimmer. Eine Heizung!
Tag 9: Essener-Rostocker Hütte zur Clarahütte
Leider hatte uns das Wetter eine Strich durch die Rechnung gemacht. Auf den relativ neu angelegten, neuen Weg von der Essener-Rostock Hütter zur (unmöglichen) Clarahütte hatten wir uns schon gefreut. Jedoch zog genau au dem Tag ein Gewitter auf. So entschieden wir uns, den Weg durch das Tal zu nehmen und nicht exponiert auf dem Berg zu wandeln. Vielleicht hätte es geklappt, nass geworden wären wir jedenfalls. Wir wissen es nicht, werden den Weg dann aber einfach nachholen.
Zur Weg durch’s Tal gibt’s nicht viel zu sagen: runter und rauf. Wenig spannend. Der Weg zur Clarahütte zog sich ziemlich durch’s Tal hinauf. Irgendwann hörten wir es dann donnern und waren froh, den Weg oben nicht genommen zu haben. Es verzog sich dann aber recht schnell.
Angekommen an der Clarahütte wurden wir dann nicht enttäuscht, denn wir hatten uns schon eine nette Hütte vorgestellt. Da sie von einer Lawine verschüttet und fast komplett zerstört worden war, die AV-Sektion Essen sie nicht aufgeben wollte und sich für einen Neubau entschlossen hatte, waren wir schon gespannt, ob es auch schöne neue Hütten geben kann (im Vergleich zur Olperer oder der Höllentalangerhütte). Und ja, es geht! Auch wenn Puristen den neuen Bau als zu luxuriös verdammen werden, fanden wir es sehr angenehm, wenn auch zum Teil natürlich etwas weniger “hüttig” (Waschbecken und Heizung auf den Zimmern). Aber warum denn nicht? Es war toll, sich mal zur Abwechslung nicht mit anderen einen dreckigen Waschraum teilen zu müssen.
Wir werden auf alle Fälle versuchen, nochmal auf der Clarahütte zu übernachten. Auch und besonders die Pächter (Kasia und Andrzej) sind ein tolles Team, sehr freundlich und haben alles, auch und besonders das Essen, gut im Griff!
Tag 10: Nochmal Clarahütte
Eigentlich wollten wir den Tag für eine Tour auf das Hohe Kreuz (3159 m) nutzen. Da aber auch heute das Wetter nicht mitspielen wollte und es sich nicht zwischen Nebel, Regen und Gewitter entscheiden konnte, sind wir kurzerhand einfach das Umbaltal rauf auf ca. 2500 m, nach dem Gletschersee spaziert. Nur war der Gletscher jetzt leider einige viele Meter weiter oben, vom See aus nicht mehr zu sehen oder nur noch zu erahnen. Irgendwann brachen wir unsere Verfolgungsjagd ab und kehrten zur Clarahütte zurück, um den Nachmittag faul vor der Hütte zu verbringen.
Einerseits der Verbindungsweg zwischen ERH und der Clarahütte, andererseits das Hohe Kreuz sind zwei Ziele, die wir noch auf unserer Liste stehen haben. Hoffentlich werden wir in den nächsten Jahren noch die Gelegenheit haben, sie von eben dieser zu streichen. Denn die Hohen Tauern sind auf alle Fälle eine Reise wert. Für uns eine der schönsten Wanderregionen bisher.