
Texelrunde
Die letzte Urlaubswoche dieses Jahr war ursprünglich für eine andere Tour verplant, doch war das neue Ziel Meran eine gute Entscheidung: der Schlechtwettereinbruch im Alpenraum hat Südtirol komplett umflossen. So sind uns einige Gruppen und Einzelwanderer begegnet, die sehr kurzfristig umplanen müssten uns stattdessen eine Tour in Südtirol, meist auf dem Meraner Höhenweg, einleiten.
Wir hatten uns schon vor ein paar Wochen auf die Texelgruppe festgelegt und eine Tour von Meran über Dorf Tirol zum Hochganghaus (1839 m), auf die Spronser Rötelspitze/Cima Rosa (2625 m), vorbei an der Spronser Seenplatte (zwischen 2117 und 2589 m) zum Guido-Lammer-Biwak (2707 m), über den Tschigat/Cigot (2998 m) — davor optional die Rötelspitze/Punta Rosa (3026 m) — zur Oberkaseralm (2131 m), optional zum Schwarzkopf (2805 m) und danach wieder zurück zur Oberkaseralm, und schließlich über die Mutspitze (2291 m) zurück über Dorf Tirol nach Meran, entschieden.
Sowohl das Hochganghaus wie auch die Oberkaseralm hatten noch geöffnet. Andere Stützpunkte wie die Lodner Hütte hatten zu diesem Zeitpunkt schon geschlossen.
Die Optionen hatten wir wegen zu viel Kletterei (Rötelspitze/Punta Rosa) bzw. Anpassungen an die Wetterlagen und mangelnder Motivation den Weg von der Oberkaseralm bis zu den Seen nochmals gehen zu müssen (Schwarzkopf) ausfallen lassen. Kraxeln ist mit einem 12-kg-Rucksack (wir arbeiten stark an einer Gewichtsoptimierung auf 8 kg bei dieser Ausstattung) noch ok, Grad-II-Kletterei aber nur bedingt, gerade weil wir auch eher auf den Genuss als auf Nervenkitzel aus sind. Da sollte sich der Tschigat gerade wegen des leichten Pulverschneebelags und niedrigen Temperaturen auf der Nordflanke als etwas zu Nerven kitzelnd herausstellen. Den Normalweg von Westen, der über weite Strecken an der Nordflanke vorbei führt, würden wir gewöhnlichen Bergwanderern wie uns bei leichtem Schneebelag nicht empfehlen. Besonders eine Stelle kurz nach dem Gipfel und ganz kurz vor der Kettenversicherung war uns etwas zu viel. Der Kamin auf der Ostsee ist da sehr viel angenehmer, zumindest ohne Schnee. Wir mussten zwei oder drei heikle Stellen überwinden, bei denen ein Seil oder sonstiges Eisen sehr hilfreich gewesen wären. Im Nachhinein ist man ja immer schlauer. Der Eintrag im Biwakbuch eines Tschigat-Überschreiters vom Vortag hatte ein ähnliches Bild gezeichnet.
Tag 1: Anfahrt nach Meran und Spaziergang nach Dorf Tirol
Die Anfahrt mit dem Fernbus gestaltete sich trotz 30 Minuten Verspätung sehr unkompliziert. Und sehr günstig obendrein. Blauer Himmel, 20 Grad und wirklich schönes Spätherbst-Wetter deuteten schon auf eine sehr angenehme Woche hin. Auf 2000+ Metern kann man natürlich noch gut 10 Grad oder mehr abziehen, was trotzdem noch angenehm ist, wenn man sowieso ständig is Bewegung ist.
Tag 2: Dorf Tirol zum Hochganghaus
Das Wetter, ein nie unpassendes Thema zwischen Bergwanderern, wurde sogar noch besser. Der Weg führte zuerst zur Bergstation der Hochmuthbahn. Die vielen Edelkastanienbäume zeugten schon vom etwas anderen Klima als in unseren sonst üblichen Tourenregionen. Oben angekommen schwenken wie auf den Meraner Höhenweg ein, der, Seilbahntypisch, sehr stark frequentiert zu sein schien. Wir versuchen deshalb die Strecke schnell hinter uns zu bringen und erreichten das Hochganghaus dann auch so früh, dass wir nach einer kurzen Dusche (6 Minuten warm für 3 EUR, zugegeben wird man mit der Zeit immer weicher und bezahlt dann doch für warmes Wasser) noch die letzten Sonnenstrahlen auf der Terrasse genießen konnten. Die Hüttenhühner packten solange neben und unter uns dir übrig geblieben Essensreste der Tagesgäste auf. Unsere Männer-Schnitten schienen eine willkommene Abwechslung zu bieten, blieben jedoch auch für das große Huhn unerreicht.
Etwas unterkühlt verlagerten wir unseren Stützpunkt dann bald in die Stube, um einerseits zu essen und andererseits die Tour für den nächsten Tag nochmals durchzugehen.
Tag 3: Hochganghaus zum Guido-Lammer-Biwak über die Spronser Rötelspitze
Noch beseres Wetter! So viel Glück hatten wir zuletzt auf dem Stubaier Höhenweg. Auf den weg zur Hochgangscharte (2488 m) streiten wir das Revier von zwei Steinböcken, die knapp neben dem Weg unbeeindruckt grasten.
Angekommen an der Hochgangscharte weiter schon ein frischer Wind um unsere Nasen. Noch 200 m höher auf der Spronser Rötelspitze war von der niedrigen Temperatur Dank sehe gemäßigtem Wind nicht mehr viel zu spüren. Dazu ein wirklich beeindruckendes Panorama. Nur das Biwak konnten wir nicht nicht erspähen, da es vom Nordostgrat des Tschigat verdeckt wurde. Dafür hatten wir freie Sicht auf den Tschigat, den Lodner, die Hohe Weiße und andere Gipfel, die wir vielleicht on Angriff nehmen können,wenn die Stettiner Hütte wieder aufgebaut wurde. Oder wenn wir unsere Trekking-Ausrüstung um ein leichtes Zelt erweitert haben.
Nach dem Abstieg ging’s dann vorbei an den Milchseen zum Biwak. Dort konnten wir sogar noch die Abendsonne vor der Türe genießen, bevor es gehen 19 Uhr unangenehm kühl wurde. Wir rechneten schon nicht mehr mit Neuankömmlingen, als plötzlich doch noch ein sehr fitter “Speed-Hiker” vor der Türe stand. Er hatte die Strecke vom Hochganghaus zum Biwak in nur zwei Stunden überwunden, war aber auch entsprechend fertig. Nicht unsere Liga, gar nicht. Aber er war dann ein lustiger, wenn auch kurzer Abend, denn ab 20 Uhr wurde es auch im Biwak unangenehm kühl und so verzogen wir uns alle in unsere Schlafsäcke.
Tag 4: Guido-Lammer-Biwak über den Tschigat zur Oberkaseralm
Die Nacht war kühl, ein Waschlappen im Biwak war zum “V” gefroren und die Wände waren mit Eiskristallen überzogen. Diese äußeren Umstände erschwerten dann das Aufstehen. Etwas später als gewöhnlich brachen wir in Richtung Scharte westlich des Tschigat auf. Das Blockfeld nördlich des Tschigat wie auch dessen Nordflanke waren mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Dies trübte der Spaß etwas, gerade auf dem Weg zum Gipfel. Die Einleitung des Artikels fasst unsere Auffassung dazu kurz zusammen. Wir empfehlen gewöhnlichen Bergwanderern die Begehung des Normalwegs über den Westgrat bei leichtem Schneebelag nicht, ob nun mit oder ohne Sicherung. Es gibt wirklich entspanntere und schönere Strecken.
Am Gipfel angekommen wurden wir erst von einem Dreiergespann (Bergführer mit zwei Begleitern) und einem Pärchen (vermutlich aus der Gegend) etwas skeptisch beäugt und unüberhörbar skeptisch kritisiert (“ängstlich bin ich ja nicht, aber ohne Sicherung würde ich mich hier nicht bewegen”). Nunja. Der Weg nach Unten über den “Kamin” (östlich des Gipfels) erwies sich dann — abgesehen von ein paar Kraxelstellen bzw. hohen Stufen, bei denen längere Beine von Vorteil sind, als unkritisch. Eigentlich sogar angenehm, trotz der noch spürbaren Anspannung vom Westgrat.
Am Fuße des Tschigat legten wir dann eine kurze Pause in der Sonne ein, bevor es über die Milchseen und den Grünsee zur Oberkaseralm ging. Unterwegs gabelten wir dann noch einen Einzelnwanderer auf, der uns den ganzen Weg bis zur Alm unterhielt. Ununterbrochen. Beim Weg zur Alm haben sich sicherlich viele Menschen viel Arbeit gemacht, den Weg mit Steinen zu ebnen. Diesen Weg bergab zu gehen war leider weder sonderlich angenehm noch interessant. Wir entschlossen uns deshalb, den Schwarzkopf am nächsten Tag ausfallen zu lassen und stattdessen direkt über die Mutspitze zur Seinbahnstation Hochmuth zu gehen. Bestärkt wurde unsere Planänderung durch die Wettervorhersage und den Drang, nicht zwei Mal bei der Oberkaseralm übernachten zu wollen.
Tag 5: Oberkaseralm über den Mutkopf zur Seilbahnstation Hochmuth
Dies sollte nun unser letzter Tag auf unserer Tour sein. Am Samstag kam nur noch eine Seilbahnfahrt und der Weg von Dorf Tirol nach Meran, was nicht mehr Teil dieses Artikels sein wird. Wir brachen morgens nach dem Frühstück bei der Oberkaseralm in Richtung Mutspitze auf. Der Weg dorthin war sehr wenig begangen. Deshalb und dank des wunderschönen Wetters am Vormittag konnten wir diese Tour dann auch wirklich genießen. Eine entspannte Hosentaschentour sozusagen.
Auf der Mutspitze angekommen gab’s dann erstmal eine ausgiebige Pause (ca. zwei Stunden) mit frischem Tee. Als dann gegen 12 Uhr immer mehr Wanderer vom Mutkopf aufstiegen, entschlossen wir uns den geordneten Rückzug eben über diesem Kopf anzutreten und dort eine kurze, ca. einstündige Pause einzulegen. Es war ja noch früh am Nachmittag und zu früh will man ja auch nicht in der Unterkunft — dem Gasthof Oberhochmuth direkt oberhalb der Seilbahn — ankommen. Abende am Berg sind ja meist nicht so spannend. Die Tage in der freien Natur dafür umso mehr.
Diese kurze Tour durch die Texelgruppe ist wirklich zu empfehlen, abgesehen von unserer Tschigat-Tour. Vor allem mit dem Wetter hatten wir dieses Mal wirklich Glück, ähnlich wie auf dem West Highland Way Anfang des Jahres.